Digitale Askese: Wie wir uns als Spielende auf das Wenige und das Wesentliche besinnen

Dieser Artikel erschien ursprünglich am 6. Dezember 2023 im Rahmen der vierten GASTSPIELER-Reihe auf SPIELKRITIK.COM.

Stärker, schneller, schöner – seit der Anfangszeit des Mediums sorgt die kapitalistische Wachstumslogik für stetig steigende Hardware-Anforderungen zugunsten einer immer detaillierteren Spielgrafik. Auch die Absatzmärkte wachsen kontinuierlich. Über ein Drittel der Menschheit konsumiert heute digitale Spiele. Mehr als die Hälfte aller Spieler:innen kommt aus dem ostasiatischen Raum. Vor allem Indien und China sind große Wachstumsmärkte. Aber auch für immer mehr Menschen in Südamerika, im Nahen und Mittleren Osten und in Afrika gehört Gaming zum Alltag. Dies liegt unter anderem an der Verbreitung des Smartphones. Doch auch die Nutzung von Konsolen und PCs als Spieleplattformen sowie Cloud Gaming nimmt weltweit zu.1

Das sind gute Nachrichten für die Spieleindustrie, insbesondere für Unternehmen mit einer ausreichend großen Marktmacht. Doch sind es schlechte Nachrichten für alle, denen ein bewohnbarer Planet am Herzen liegt. Digitale Spiele und Spiele-Hardware heizen die ökologische Krise durch ihren wachsenden Energie- und Rohstoffbedarf an. Zwar gibt es Brancheninitiativen, welche die Umweltfolgen von Gaming reduzieren wollen.2 Aber auch für uns Spieler:innen ist es an der Zeit, Verantwortung zu übernehmen, weil unser Konsumverhalten einen Einfluss hat. In diesem Beitrag soll es um unseren digitalen Spielabdruck gehen und wie wir diesen durch digitale Askese minimieren können, indem wir uns darauf besinnen, was der Schriftsteller John von Düffel in seinem gleichnamigen Buch als das Wenige und das Wesentliche beschreibt.3

Der Energieverbrauch digitaler Spiele steigt

Let’s face it: Spielen kostet sehr viel Energie. Heutige Spielekonsolen brauchen bis zu 20-mal mehr Strom als noch in den 1970er Jahren, leistungsstarke Gaming-PCs sogar bis zu 70-mal mehr. Die durch Gaming verursachten CO2-Freisetzungen entsprechen in den USA ungefähr den Emissionen von fünf Millionen Autos oder 85 Millionen Kühlschränken – das haben die Wissenschaftler Norm Bourassa und Evan Mills vom kalifornischen Lawrence Berkeley National Laboratory (LBNT) ausgerechnet.4 Um die Auswirkungen digitaler Spiele auf die Umwelt zu erfassen, ist die Arbeit von Bourassa und Mills heute unumgänglich. Für ihre Studie untersuchten sie mit ihrem Team den Stromverbrauch digitaler Spiele sowie die Auswirkungen, die durch den hohen Energiebedarf und die aufwändigen Produktionsbedingungen für die Umwelt entstehen.

Als eine ihrer zentralen Beobachtungen beschreiben sie den für elektronische Geräte typischen Rebound-Effekt: Obwohl sich die Energieeffizienz mit jeder Hardware-Generation verbessert, kommt es zu keiner Einsparung. Im Gegenteil: Der gesamte Energieverbrauch steigt sogar. Das liegt nicht zuletzt an der wachsenden Zahl von Spieler:innen, der zunehmenden Spieldauer und der Forderung nach immer mehr Leistung. Dabei variiert der Energieverbrauch beim Spielen erheblich, je nach Plattform und Titel. Aktuelle Games, welche die Hardware voll ausreizen, verbrauchen so viel Energie wie nie. Wohingegen ältere Spiele auf neuer Hardware weniger Strom benötigen, als noch auf den ursprünglichen Systemen.

Einige neue Technologien und bestimmte Spielweisen sind besonders energieintensiv. Dazu zählen etwa Bildschirme in 4K-Auflösung oder VR-Brillen, die besonders hohe Leistungsanforderungen an die System-Hardware stellen. Auch Cloud Gaming führt zu einem erheblichen Anstieg des Energieverbrauchs. Cloud-basierte Spiele lagern ihre Grafikverarbeitung in Rechenzentren mit Hochleistungsrechnern aus. Das ist trügerisch, da der Stromverbrauch zu Hause nur geringfügig steigt. Unterm Strich verbraucht Cloud Gaming aber deutlich mehr Energie als das Spielen auf lokaler Hardware – je nach verwendeter Plattform um 30 bis zu 260 Prozent.5

Knappheit von Energie und Rohstoffen erfordert einen sparsamen Umgang

Doch gerade den Energieverbrauch unserer Produkte müssen wir kritisch hinterfragen. Leider ist es nicht damit getan, dass wir fossile Energie einfach durch Ökostrom ersetzen und dann so weiter machen wie bisher. Grund dafür ist die Kopplung der Sektoren: Um den CO2-Ausstoß zu reduzieren, muss Strom aus erneuerbaren Energien nicht nur Haushalte und Industrie versorgen, sondern auch Wärme und Mobilität sichern. Aber im Unterschied zu den fossilen Rohstoffen liefern Windräder und Solaranlagen nur bei günstigen Bedingungen Strom. Zum Ausgleich sind Batterien und Wasserstoff als Speicher notwendig, die ihrerseits Energie kosten. Die weltweite Stromnachfrage erhöht sich daher überproportional stark. Auch für Deutschland wird ein steigender Stromverbrauch prognostiziert.6 Die Kopplung der Sektoren bedeutet also vor allem eines: Wir müssen Energie einsparen. Der Verbrauch muss drastisch sinken.

Ein weiterer Faktor sind die Folgen der Produktion von Hardware und ihrer unsachgemäßen Entsorgung. Der Abbau von Rohstoffen für Computertechnik kann zu zusätzlichen Emissionen, Boden- und Wasservergiftung, Entwaldung und anderen Umweltproblemen führen. Hinzu kommt, dass viele Rohstoffe in Zukunft knapper werden. Dies liegt nicht unbedingt an begrenzten Vorkommen, sondern vor allem an der hohen Nachfrage. Denn Materialien wie Lithium, Nickel, Kobalt, Kupfer und seltene Erden sind nicht nur in Spiele-Hardware verbaut, sondern werden auch dringend für klimafreundliche Technologien benötigt. Schon jetzt ist absehbar, dass viele der existierenden und geplanten Bergwerke den weltweiten Bedarf kaum abdecken können.7

Spielen hat einen Einfluss auf die Umwelt

Wir sollten uns klar machen: Mit jedem Spiel, das wir spielen, und jeder neuen Konsole, die wir kaufen, verschärfen wir die Knappheiten und belasten die Umwelt weiter. Die Forschenden vom Berkeley Lab schlagen deshalb eine Reihe von Maßnahmen vor, die Studios und Firmen ergreifen können, um etwa die Effizienz von Spielen oder Spiele-Hardware zu verbessern. Doch verweisen die Wissenschaftler:innen zugleich darauf, dass den ökologischen Fußabdruck von digitalen Spielen nichts so sehr beeinflusst, wie das Verhalten von uns Spieler:innen.8

Die Fakten liegen auf dem Tisch. Aber die Frage ist, wie verhalten wir uns dazu? Themenschwerpunkte, die sich mit den Auswirkungen unseres Handelns auf die reale Welt beschäftigen, bringen immer auch eine moralische Dimension mit sich. Wir sollten den Konsum von digitalen Spielen nicht losgelöst vom Konsum anderer Produkte unseres Alltags betrachten. Wenn wir allgemein sparsam mit Energie und Ressourcen umgehen müssen, bedeutet das also, dass wir uns auch als Spieler:innen auf die eine oder andere Weise zurückhalten sollten. Doch wie genau? Wie könnte eine Verzichtsphilosophie für unseren Umgang mit digitalen Spielen aussehen?

Moderne Askese: Sich in Verzicht üben, ohne zu verzichten

Einen Ansatz dafür, wie wir allgemein über Verzicht nachdenken können und was das auch für die digitale Sphäre bedeutet, liefert John von Düffel in seinem Buch „Das Wenige und das Wesentliche“. Seinen Text verfasst von Düffel als eine Art Gedankengedicht, das er nach Maßgabe eines Stundenbuches strukturiert. Das Stundenbuch entstammt der katholischen Liturgie und half Laien aus den Kreisen des lesekundigen Adels im Spätmittelalter dabei, ihre Gebetszeiten und damit auch ihren Alltag zu strukturieren. Getreu dem Vorbild des streng geregelten Klosterlebens enthält solch ein Band Hymnen und Bibeltexte, die zu verschiedenen Tageszeiten gebetet werden. Das Konzept greift von Düffel auf, indem er seinen Text ebenfalls in Tageszeiten einteilt. Von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang beschreibt er seine Wanderung durch die Natur des ligurischen Hinterlandes in Italien. Diese Beschreibung ergänzt er durch seine Gedanken über die Askese.

Indem von Düffel sein Buch formal an ein Stundenbuch anlehnt, bezieht er sich auf den absoluten Anspruch der Religion an alle Gläubigen, sich zu transformieren und dadurch ein gutes Leben zu führen. Doch will er diesen Anspruch vom Religiösen trennen und ihn auf unser modernes, säkulares Leben übertragen. In seinen Gedanken über die Askese unterscheidet er deshalb zwischen dem „Asketen der Vergangenheit“, der noch durch die Religion geprägt ist, und dem modernen „Asketen der Zukunft“, dem es gelingt, sich ohne Religion zu transformieren. 9 Dabei betont er, dass er moderne Askese nicht als Verzicht verstehen möchte.

„In der Askese der Zukunft
Die aus keiner Religion kommt
Und keinem System dient
Geht es nicht ums Verzichten
Es geht darum zu erkennen
Wie wenig ich brauche

Was brauche ich wirklich“

von Düffel 2022, S. 7

Der Asket der Zukunft verzichtet also nicht, sondern löst sich lediglich vom Unwichtigen. Er befreit sich von allem, was er im Grunde nicht braucht, sodass am Ende nur das übrig bleibt, was für sie oder ihn wesentlich ist. Für von Düffel geht es dabei nicht darum, ein genussbefreites Leben zu führen. Die eigentliche Kunst der Askese besteht für ihn nicht darin, die eigenen Bedürfnisse zu überwinden, sondern im Gegenteil ein Gespür für sie zu entwickeln.

„Sich auf den Genuss des Wesentlichen zu
beschränken
Ist genauso wenig eine Einschränkung
Wie sich auf das zu beschränken
Was man liebt“

von Düffel 2022, S. 10

Dafür gilt es, kritisch auf den Konsumismus der Gegenwart zu blicken. „Nicht zu konsumieren“, schreibt von Düffel, „kann ein Hochgenuss sein“.10 Die moderne Askese ist für von Düffel die Antwort auf den „Sisyphos des Konsums“, der durch seine impulsiven Kaufentscheidungen immer wieder Produkte erwirbt, die er sich wünscht, aber eigentlich nicht braucht. Das Glücksversprechen löst sich nach dem Kauf schnell wieder auf oder gar nicht erst ein. Im Unterschied dazu arbeitet der Asket der Zukunft darauf hin, seine Bedürfnisse mit dem richtigen Maß in Einklang zu bringen. Er strebt stets nach der Übereinstimmung des Wenigen mit dem Wesentlichen – er ist „der Feind des Immer-Mehr“ unserer konsumorientierten Welt.11 Den berühmten Ausspruch des Philosophen Theodor W. Adorno, „Es gibt kein richtiges Leben im Falschen“, ergänzt von Düffel folgendermaßen: „Aber es gibt im Falschen eine richtige Richtung“.12

Eine Spirale aus Konsum durch digitale Medien?

In dieser Hinsicht ist der Asket der Zukunft zugleich auch ein Gegenentwurf zum „Hedonisten des Digitalen“, der sich durch unsere konsumistische Digitalkultur bewegt und sein Leben immer mehr in die digitale Sphäre verlagert. Die digitale Welt ist für von Düffel unzulänglich im Vergleich zum eigentlichen Leben. Sie besteht zwar aus einer nie dagewesenen Fülle an Informationen und löst immer wieder Emotionen aus. Ihre Erlebnisse bleiben jedoch künstlich und unterscheiden sich damit fundamental von den Erlebnissen in der analogen Welt, in der sich unser Körper bewegt.

„Die digitale Welt der Verfügbarkeit
Ist eine Welt ohne Erfahrung
Sie bietet Sensationen, Erregungen,
Aufregungen
Affekte jeglicher Art von Spaß bis Hass
Ich kann alles sehen, überall dabei sein
Ohne meine Komfortzone zu verlassen
Ohne eine einzige Erfahrung zu machen
Außer der, vor dem Rechner zu sitzen“

von Düffel 2022, S. 78

Diesen Mangel an Erfahrung führt von Düffel auf den „Übertritt in die digitale Körperlosigkeit“ zurück.13 Der Hedonist des Digitalen will seinen Körper zugunsten einer immateriellen Welt überwinden, ganz ähnlich wie der Asket der Vergangenheit. Das Heilsversprechen der Religion, nach dem Tod in das ewige Himmelreich zu kommen, weicht der Idee des Transhumanismus, also dem Übergang ins ewige Datenreich mithilfe der digitalen Technologie. Während aber der Asket der Vergangenheit lediglich darauf hoffen konnte, am Ende seines entbehrungsreichen Lebens Erlösung zu finden, ist die immaterielle Welt der digitalen Medien jederzeit zugänglich – und zwar ohne auf etwas verzichten zu müssen.

„Im Gegensatz zur Askese der Vergangenheit
Verlangt das Digitale keinerlei Verzicht
Es kennt auch kein Genug
Wie die Askese der Zukunft
Vielmehr verspricht es alles
Zu jeder Zeit und überall“

von Düffel 2022, S. 78

Von Düffel sieht unseren Umgang mit digitalen Medien also äußerst kritisch. Das digitale Unterhaltungsangebot führt für ihn zu einer Spirale aus Konsum, bei der wir unseren Körper vergessen. Dies zeige sich vor allem daran, dass das Verlassen der digitalen Welt immer mit Frustration verbunden sei, da die Transformation in den immateriellen Körper nie abgeschlossen werden könne. Er spricht auch von einem „Absturz“ in die analoge Realität, der mit dem Gefühl verbunden sei, in unserem biologischen Körper stecken geblieben zu sein.14

Digitale Spiele können echte Bedürfnisse erfüllen

Echte Erfahrungen machen wir nach von Düffel also nur in Verbindung mit unserer realen Umwelt. Er impliziert damit, dass auch der Genuss des Wesentlichen immer nur außerhalb des Digitalen möglich sei. Wenn das Digitale kein „Genug“ kennt, wie er schreibt, dann ist der Versuch, in der digitalen Sphäre das richtige Maß zu finden, von vornherein zum Scheitern verurteilt. Aber trifft das auch auf digitale Spiele zu? Kennt auch die Spielerfahrung, die wir in digitalen Welten machen können, kein Genug? Lassen uns Spiele immer irgendwie leer und unbefriedigt zurück?

Folgt man dem Zweig der Game Studies, der sich mit dem Verhältnis zwischen der steuerbaren Spielfigur und unserem biologischen Körper auseinandersetzt, dann lässt sich festhalten, dass wir mitnichten unsere eigene Körperlichkeit während des Spielens völlig vergessen. Für die Medienwissenschaftlerin Britta Neitzel ist die körperliche Beziehung zwischen uns und unserem Avatar vor allem eine Frage der Perspektive. Weil wir uns mit unserem realen Körper nicht in der Spielwelt, sondern vor dem Bildschirm befinden, ist für sie das Spielen digitaler Spiele eine Form der Beobachtung, die immer auch Selbstbeobachtung ist.

„Der Beobachter wäre im Falle der Videospiele der Spieler, der von seiner Position vor dem Monitor aus zwischen seiner und der Welt des Spiels unterscheidet. Diese Unterscheidung ist zentral, denn sie trägt dazu bei, dass der Spieler zwischen sich und dem Avatar, der in der virtuellen Welt seine Handlungen ausführt, differenziert. Beobachtung ermöglicht es dem Spieler, sich selbst als anderen, nämlich als Avatar, zu beobachten. Und nur diese Selbstbeobachtung ermöglicht es dem Spieler in seiner Funktion als Avatar in der Spielwelt zu handeln, das heißt die Handlungen des Avatars sich selbst als einem anderen zuzuschreiben. Das spielerische ‚Als-Ob‘ oder ‚Vorgeben, jemand anders zu sein‘ […] wird im Computerspiel durch die Verdoppelung des Körpers des Spielers in einen realen und einen Datenkörper hergestellt. Diese Körper sind beim Spielen voneinander abhängig und beide sind notwendig, um das Spiel zu spielen.“

Neitzel 2013, S. 5 f.

Unsere Spielerfahrung ist laut Neitzel also geprägt durch eine Wechselbeziehung zwischen Nähe und Distanz zu unserem Datenkörper und zu unserem eigenen Körper. Gerade diese Wechselbeziehung sorgt für Spannung und hält den Spielfluss aufrecht. Mit anderen Worten: Die unvollendete Transformation in den immateriellen Körper ist die eigentliche Triebfeder digitaler Spiele. Demzufolge ist das Beenden eines Spiels kein Absturz, sondern im besten Fall der Abschluss eines schönen Erlebnisses, das mit unserem Bedürfnis nach ebendiesem Erlebnis, etwa dem spielerischen „Als-Ob“, in Einklang gekommen ist.

Digitale Askese: Den Genuss des Wesentlichen im digitalen Spiel finden

Für digitale Spiele kann ich von Düffels Digitalkulturpessimismus daher nicht gelten lassen. Ihre künstlichen Erlebnisse wollen nicht die Erlebnisse in der analogen Welt ersetzen, sondern sie im besten Fall ergänzen. Digitale Spiele können ein Genuss sein, indem sie unser Leben bereichern. Natürlich stimmt das nicht ausnahmslos für alle Spiele, sämtliche Spielweisen und jeglichen Spielkontext. Doch wenn wir die körperlichen Erfahrungen durch die Verbindung zwischen uns und unserem Datenkörper ebenso ernst nehmen, wie die körperlichen Erfahrungen in der analogen Welt (auch wenn diese unterschiedliche Qualitäten haben), dann sind auch digitale Spiele grundsätzlich mit moderner Askese vereinbar. Es kommt auf unsere Haltung an und wie wir in Folge dessen mit dem Medium umgehen.

Als Gegenfigur zum Hedonisten des Digitalen und dem Sisyphos des Konsums schlage ich deshalb den Asketen des Digitalen vor. Der Asket des Digitalen versteht sich als Asket der Zukunft und strebt daher stets nach dem richtigen Maß, das ihm entspricht. Allerdings gelingt es ihm auch im Digitalen, das zu finden, was er braucht, und dieses mit dem in Einklang zu bringen, was er will. Da er seine Bedürfnisse kennt, kann er das für ihn Wesentliche genießen und gleichzeitig konsumkritisch auf die digitale Welt blicken. Diese digitale Askese in die Praxis umzusetzen und von der Software auch auf die Hardware zu übertragen, ist die Aufgabe von allen, die den Genuss des Wesentlichen im digitalen Spiel finden möchten. Wie genau man diese praktische Anwendung von Verzichtsphilosophie vollzieht, bleibt aber eine individuelle Herangehensweise.

„Der Asket der Zukunft
Ist ein Asket ohne System
Ob und wie er richtig lebt
Das zu prüfen und zu überprüfen
Ist Teil seiner Übung“

von Düffel 2022, S. 11

Welche Spiele wir spielen, wie viel wir spielen, mit welchen Systemen und auf welchen Plattformen wir spielen, hat einen Einfluss auf den Verbrauch von Energie und Rohstoffen und ist mit negativen Auswirkungen auf unsere Umwelt verbunden. Digitale Askese ist eine Antwort auf das Immer-Mehr der Spieleindustrie und eine Möglichkeit, den eigenen digitalen Spielabdruck zu minimieren. Ob ich weniger Zeit im Online-Shop verbringe und dafür mehr Zeit mit den Games selbst, ob ich mein letztes Spielerlebnis zunächst reflektiere, bevor ich das nächste Spiel konsumiere, ob ich ganz bewusst nur gebrauchte Hardware kaufe oder Cloud Gaming meide – es geht darum, zu erkennen, wie wenig ich brauche. Was brauche ich wirklich zur Übereinstimmung des Wenigen mit dem Wesentlichen im Digitalen?


Fußnoten:

  1. Siehe hierzu etwa die Marktanalyse des niederländischen Unternehmens Newzoo von 2023. Weitere Gründe für die Verbreitung sind unter anderem der stetige Ausbau und die sinkenden Kosten von digitaler Infrastruktur, steigender Wohlstand und das zugängliche Free-to-Play-Modell. ↩︎
  2. Dazu zählen etwa das durch die EU-Kommission initiierte The Games Consoles Voluntary Agreement, die von der UN unterstützte Playing For The Planet Alliance sowie die Climate Special Interest Group der International Game Developers Association (IGDA). ↩︎
  3. vgl. von Düffel 2022 ↩︎
  4. vgl. Mills/Bourassa et al. 2019 ↩︎
  5. vgl. ebd., S. 6 ↩︎
  6. Ein Bericht des Weltenergierat – Deutschland e.V. fasst die Prognosen verschiedener Studien zum weltweiten Energieverbrauch zusammen (vgl. Schiffer/von Kienitz 2020). Für Deutschland siehe etwa die Ergebnisse aus dem Szenario 1 einer Studie der Prognos AG (vgl. Kemmler/Wünsch/Burret 2021). Die größten Einsparungen werden im Bereich „Effizienz und Struktureffekte“ erwartet. Darunter fallen alle „konventionellen Anwendungen“ wie Haushaltsgeräte und demzufolge auch Spiele-Hardware (vgl. ebd.). ↩︎
  7. So reichen nach einem Bericht der Internationalen Energieagentur (IEA) die derzeitigen Pläne für die Versorgung mit Mineralien und Investitionen nicht aus, um den Energiesektor umzugestalten. Auch eine Studie der Deutschen Rohstoffagentur zeigt den teils vielfach wachsenden Bedarf an metallischen Rohstoffen (vgl. Marscheider-Weidemann et al. 2021). ↩︎
  8. vgl. Mills/Bourassa et al. 2019, S. 6 ↩︎
  9. Ich behalte aus Texttreue und wegen der Lesbarkeit das generische Maskulinum „Asket“ bei, wie es von Düffel selbst verwendet. Die weibliche Form ist selbstverständlich immer mitgemeint. ↩︎
  10. von Düffel 2022, S. 9 ↩︎
  11. ebd., S. 90 ↩︎
  12. ebd., S. 10 ↩︎
  13. ebd., S. 79 ↩︎
  14. vgl. ebd., S. 79 f. ↩︎

Literatur:

Ein Kommentar zu „Digitale Askese: Wie wir uns als Spielende auf das Wenige und das Wesentliche besinnen

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